Was bleibt den Lebenden von den Jahrtausenden der Vergangenheit? Würde man das menschliche Genom der autochtonen Inselbewohner Mallorcas untersuchen, fände man in ihrem Erbgut Spuren der ersten Siedler, des weiteren der Römer, der Mauren, der Aragonen usw. Wir machen es uns einfacher. Wir wollen mit eigenen Augen sehen, welche sichtbaren Spuren die Menschen vergangener Zeiten hinterlassen haben.
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Erste Besiedlung der Balearen
Die große Insel im Mittelmeer, Mallorca, ist weit vom Festland entfernt. Auch heute noch braucht die Fähre von Barcelona, dem nächst gelegenen Festlandsort, 10 Stunden, um den Hafen von Palma zu erreichen. Trotz dieser weiten Entfernung wurde die Insel schon früh von Menschen aufgesucht. Im Neolithikum, etwa Mitte des 5. Jahrtausends, kamen die ersten Menschen in leichten, fragilen Holzbooten an der Steilküste des Tramontana-Gebirges an.
Zuerst fanden sie in natürlichen Schlupfhöhlen des Kalksteins Zuflucht und Schutz vor wilden Tieren und den Widerwärtigkeiten des Wetters. Vereinzelt wurden in unzugänglichen Gebieten, wie an den Hängen des Galatzò Grabnischen mit menschlichen Überresten entdeckt. Die Untersuchungen der C 14-Daten wiesen auf eine früheste menschliche Besiedlung im 6. Jahrtausend v. Chr. hin. Die ersten Menschen, die auf der Insel landeten, kamen nach Ansicht der Forscher aus der Provence und dem Golf von Lyon. Die Zahl der Siedler nahm relativ rasch zu. Die Menschen hatten das gigantischen Höhlensystem, das oft weit über hundert Meter in den Fels hineinreicht, entdeckt.
Mallorcas Höhlen: Früher Schutzzonen – heute Touristenattraktion
Die weitverzweigten Höhlen dienten Familienclans als Wohnhöhlen. Die Tropfsteinhöhlen von Drach, Campajnet und Artà, die heute von Touristen bei künstlichem Licht und oft bei klassischer Musik besucht und bestaunt werden, waren vor 6000 Jahren, Wohn- und Schlafzimmer dieser Siedler. In entlegeneren Teilen des Höhlensystems wurden die Toten bestattet. Besondere Abschnitte der Höhle dienten auch für kultische Zeremonien, vor allem dem Jagdzauber durch Schamanen. Die Menschen lernten, ihre Höhlen durch mächtige Steinblöcke vor wilden Tieren und Feinden zu schützen. Diese Kunst, große Steine (Megalithen) zu bearbeiten und zu monumentalen Turmbauten aufzurichten, führte zur sogenannten Talajotkultur (das Wort stammt aus dem Arabischen, atalyi-Wache) die auf Mallorca von 2.500 v. Chr. bis zur römischen Eroberung auf der Insel weit verbreitet war.
Das anschaulichste und eindrucksvollste Beispiel ist in Capicorp Vell, etwa 15 km vom Leuchtturm Cabo Blanco entfernt, zu besuchen. Der Eingang zu dieser monolitischen Siedlung ist ein Tor, das mit mächtigen Steinplatten abgedeckt ist. Die riesigen Steine sind ohne Mörtel zu runden Turmbauten aufgeschichtet. Die Siedlung war von einer Ringmauer umgeben, hinter der die Wohnanlagen mit viereckigen Grundriss lagen, die untereinander mit engen Gängen verbunden waren. Jahrhunderte lang diente die Anlage später als Steinbruch, aus dem Material für die großen Bauten in Palma (Kathedrale Lonja) abtransportiert wurde. Ein Spaziergang zwischen den eindrucksvollen Steinmassen lässt uns erahnen, wie hart das Leben damals war und wie man sich immer gegen Feinde schützen musste.
Pollentia – Hauptstadt der Römer
Ein entscheidender Einschnitt in der Geschichte der Insel ist die Eroberung Mallorcas durch die Römer 123 v. Chr.. Pollentia, die Starke, die Mächtige wurde damals die Hauptstadt der „größeren Insel“ (Mallorca). Die Ruinen dieser Metropole unterhalb der Pfarrkirche,der heutigen Stadt Alcudia, ringen dem heutigen Besucher noch Staunen und Bewunderung ab. Natürlich stehen von den römischen Atriumshäusern nur mehr die Grundmauern. Korinthische Säulen erinnern noch an die Tempel zu denen die frommen römischen Frauen und Männer zu Opferfesten kamen. Steintreppen und Mauern künden heute noch vom emsigen Treiben auf dem römischen Forum.
Außerhalb der weitläufigen Stadtanlage können wir bei einem ausgedehnten Spaziergang die Thermen sehen, in denen sich die Stadtbewohner in heißen, lauwarmen und kalten Becken und in Dampfgrotten entspannten. Vom Theaterbau, in denen Tragödien und Lustspiele zur Aufführung kamen, geben heute noch die Sitzplätze im Halbrund Kunde. Auch das Römische Weltreich, groß und stolz, ging unter. Die Vandalen fielen über Mallorca her. Aber wie noch heute das Wort „Vandalismus“ Kunde gibt, zerstörten diese germanischen Volksstämme nur und bauten nichts auf.
Blütezeit unter den Arabern
Im Jahre 902 wurde Mallorca nach vielen, wechselvollen Seeschlachten endgültig von den Arabern erobert. Die über 300 Jahre währende Herrschaft der arabischen Wesire, die in der „Medina Mayuca“ (Palma) als Hauptstadt residierten, brachte eine Blütezeit für die Insel. Besonders die Bewässerungskultur, die noch heute in Terrassenanlagen bewundert werden können, verwandelte die Insel in ein Garten- und Früchteparadies. Bei Bauyalbufar, als leuchtendes Zeugnis arabischer Gartenkultur, können die Touristen auf den Terrassenbeeten Obstplantagen mit Orangen- und Zitrusanpflanzungen, sowie Mandelbäume und Weinrebstöcke mit Blumen- und Gemüsebeeten durchsetzt, bestaunen.
Dass die Araber natürlich auch wehrhafte Festungen und Burgen bauen konnten, wird jeder Besucher, der den steilen Burgweg von Capepera hinaufgeht, bestätigen. Hier auf einer Felsenklippe bauten die Araber auf den Resten römischer Mauern ein trotziges „Castillo“. Es war das letzte wehrhafte Bollwerk, das von den christlichen Rittern des mallorquinischen Königs Jaime I. erobert wurde. Ein später Hauch vom Leben dieser maurisch-arabischen Bevölkerung durchweht heute noch die sogenannten „Arabischen Bäder“. Inmitten der Altstadt von Palma de Mallorca, unweit von der Kathedrale, liegen die im 10. Jahrhundert erbauten Bäder. Diese Bäder unter Kuppeln und Gewölben dienten nicht nur der Hygiene, sondern waren, wie im alten Rom, Zentrum der Muse und Kommunikation. Den Mohammedanern gefiel Mallorca ungemein, ihre Poeten besangen die Schönheit der Insel und die Regenten prägten stolz Münzen, „Medina Mayurca“, und verkündeten, Mallorca werde Allah inshallah, so Gott will, immer arabisch bleiben.
Heiliger Krieg auf Mallorca
Am 1. September 1229 brachen 143 Schiffe und 12.000 Krieger von Barcelona zum „Heiligen Krieg gegen die Ungläubigen“ in Mallorca auf. Auf dem Caleta Felsen in der Bucht von Santa Ponsa steht noch heute (allerdings schon oft von Blitzschlägen getroffen und immer wieder restauriert) ein Gedenkkreuz an die Landung des christlichen Eroberungsheeres. Die erste und erbitternste Schlacht zwischen den Arabern und den Christen fand auf einer Anhöhe vor Magaluf statt. An diesem „Coll de Sa Batalla“ (Berg der Schlacht) erinnert heute, ca. 100 m neben der Autobahn, ein verwittertes Gedenkkreuz an den Tod der beiden Brüder Moncada, Feldhauptleute und Vettern des Königs. Nach drei langen Monaten der Belagerung ergab sich Palma und wenige Wochen später die Bergfestung Alaro.
Was heute den Ruhm und die Schönheit mittelalterlicher Baukunst auf der Insel ausmacht, wurde damals in schneller Folge erbaut. Der arabische Palast Almudaina in Palma wurde nach dem Gusto des christlichen Königs, befreit von arabischen Schnörkeln und Zierart in eine trutzige Königsburg umgebaut. Die Moschee wurde niedergerissen und die Kathedrale des Meeres, dessen Bild sich im nahen Meer spiegeln konnte, wurde errichtet. Oben auf der Höhe, etwas außerhalb der Stadt, ließ der König den mächtigen Rundbau von Bellver in Auftrag geben. Hier im Untergeschoß der Burg befindet sich das „Museo Municipal“, dort kann man in den archäologischen Sammlungen „en miniature“ mit Schaubildern und einigen Ausgrabungsrelikten, die Geschichte der Insel von der Steinzeit bis in die Gegenwart nachvollziehen.
Glanz und Gloria in Palma de Mallorca
Nachdem Palma die christliche Hauptstadt der Insel geworden war, konzentrierte sich hier auch die Bautätigkeit. Die kirchlichen Würdenträger ließen nahe der Kathedrale den mächtigen Bischofspalast bauen. Die Adeligen bauten sich prunkvolle Residenzen, die sich durch prächtige Innenhöfe, die die Gärten ersetzten, und durch schwungvolle Treppenaufgänge, die zu den oberen Wohnräumen führten, auszeichneten. Die aufstrebende Bürgerschaft, die durch den regen Mittelmeerhandel reich geworden war, baute die „Lonja“, die Börse als Umschlagplatz der Waren und des Handels. Im „Ayuntamiento“, im Rathaus, im Bau seit dem Jahre 1598, versammelten sich die Repräsentanten der Bürgerschaft und feierten die königlichen Privilegien, die der König Jaime I. den Mallorquinern gewährt hatte.
Mit der wachsenden Bevölkerung und dem steigenden Verkehr wurden überall auf der Insel neue städtebauliche Akzente gesetzt. Diese Neuerungen zu Beginn des 20. Jahrhunderts wurden am deutlichsten sichtbar in Palma. Das Meer wurde durch Landaufschüttungen zurückgedrängt und breite Straßen, wie der „Passeo Maritimo“ angelegt. An der Periferie der Stadt wuchsen Hochhäuser. In der Altstadt wurden einige bemerkenswerte, im Jugendstil mit farbigen Bildern verzierte Gebäude, wie z. B. das frühere „Grand Hotel“ und einige Jugendstil Häuser in der Nähe der Plaça Major errichtet.