Mallorcas römisches Erbe

„Alle Wege führen nach Rom“, so heißt es. Von Mallorca geht es natürlich nur über’s Wasser und selbstverständlich führte der Weg nicht von der Insel zur Weltstadt Rom, sondern es ging gerade andersherum. Die Insel Mallorca, die ja erst durch die Römer ihren Namen erhielt „Die Größere“ im Gegensatz zu Menorca „Die Kleinere“, zur damaligen Zeit als „unterentwickelt“ zu bezeichnen ist ein noch euphemistischer Vergleich. Denn während man in Rom schon mehrstöckige Mietshäuser baute, hausten die Inselbewohner, die den kargen steinigen Boden bebauten und Schafe und Ziegen hielten, in Lehmhütten und Kalksteinhöhlen.

Zwischen Rom und Karthago

Baukunst der Römer in Alcudia

Nicht nur in der Baukunst waren die Römer den mallorquinischen Ureinwohnern weit überlegen.

Die Balearen lagen damals am Grenzbereich der mediterranen Zivilisation und Kultur. Es gab zwar immer wieder vereinzelte Einfälle von Phöniziern und Karthagern, aber die Inselbewohner konnten sich dank ihrer Steinschleudern, mit denen sie Pfund schwere Steinbrocken auf die Gegner schossen, einer ständigen Eroberung erwehren. Wegen dieser kriegerischen Fähigkeiten kämpfte sogar eine mallorquinische Söldnertruppe mit ihren Steinschleudern in den Persischen Kriegen auf Seiten der Karthager.

Insgesamt mussten die Fremden die Inselbewohner mehr fürchten als diese fremden Eindringlinge. Nicht nur als wilde Steinschleuderer in fremden Armeen sondern auch als tollkühne aber auch erbarmungslose Seeräuber waren die Mallorquiner berüchtigt und gefürchtet. Aus diesem Grunde beschloss Rom die „insula major“ zu erobern.

Der erste Eroberungsversuch schlug katastrophal fehl. Die Insulaner deckten die römische Besatzung mit Steingeschossen ein, aber das große Rom ließ sich natürlich auf die Dauer nicht von diesem Inselzwerg einschüchtern. Deshalb wurde 123 v. Chr. der General Culius Metelus beauftragt, die Insel zu erobern. Da der große Feldherr die Fähigkeit der Ureinwohner kannte, den Feind mit Steinen einzudecken, wandte er folgende List an, wie der römische Historiker Strabo schrieb:

Metelus ließ die Schiffe mit Tierhäuten überdecken, so dass die Steinschleudern keinen Schaden anrichten konnten.

Nachdem die römischen Legionäre an Land gingen, flüchteten die Insulaner in ihre „tunuli“, das sind wahrscheinlich die alten Talayots, Steingebäude aus großen Felsbrocken. Die Gegenwehr erstarb aber rasch und die Insel wurde römische Provinz. Das Leben der Inselbewohner wurde total umgekrempelt, sie lernten Latein zu sprechen, Steinhäuser mit Ziegeln bedeckt zu bauen und den Kult der römischen Götterwelt zu übernehmen. Es war ein ungeheuerer Zivilisations- und Kulturschub.

Die Römerstadt in Alcudia

Die Römer brachten ihre Sprache, Götter und Architektur nach Mallorca.

Am besten lässt sich der Unterschied lateinischer Zivilisation zu den mallorquinischen Verhältnissen zu dieser Zeit an der alten römischen Hauptstadt Pol Lèntia, das heißt „poderosa“, die „Mächtige“, dokumentieren.

Wenn wir heute durch die Ruinen dieser Stadt wandeln, mag uns das auf den ersten Blick nicht so bedeutend erscheinen, aber für die Menschen des zweiten Jahrhunderts vor Christus, die mehr oder weniger noch auf der Stufe der Steinzeitkultur lebten, muss diese Römerstadt wie ein Weltwunder erschienen sein.

Aber was ist geblieben von diesem römischen Wunder? Jahrhunderte lang gab es keine Spur davon, dass in der Nähe der mittelalterlichen Stadtmauer von Alcudiá einmal römisches Leben blühte. Im 17. Jahrhundert buddelte ein Bauer zufällig einen bronzenen Augustuskopf aus und erst 1923 begannen systematische Grabungen, die bis heute fortgeführt werden und die römische Vergangenheit erschließen.

Ausgrabungsstätte in Nordwesten Mallorcas

Historische Ausgrabungsstätte „Pollentia“ in Alcudiá.

Die Stadt Pol Léntia dehnte sich ungefähr auf einer Fläche zwischen 15 und 20 ha aus. Wir können dabei drei ganz verschiedene Stadtbereiche unterscheiden.

Prächtiges Villenviertel

La Portelle, dies ist der Wohnbereich in dem die Grundmauern der Häuser und die Straßen die durch die Stadt ziehen, zu sehen sind. Am besten ist das „Haus der zwei Schätze“ konserviert, hier kann man die Struktur des „domus“ am besten studieren. In der Mitte ist das „Atrium“, um die sich die anderen Räume gruppieren, von der Hauptfassade ragen noch zwei Säulen in den Himmel, die früher die Veranda stützten. Von den anderen Häusern ist noch das „Haus des Bronzekopfes“ zu erwähnen, hier wurde nämlich eine Bronze eines Mädchenkopfes gefunden.

Dass der glänzende Stern Roms allmählich weniger hell leuchtete und dass die Zeiten unruhiger und gefährlicher wurden, zeigen die Reste der römischen Stadtmauer, die ca. fünf Jahrhunderte später zum Schutz der Siedlung gebaut wurde, als Schutz gegen feindliche Angriffe.

Säulenreste der Römerstadt in Alcudia

Heute zeugen nur noch die Grundmauern und Säulenreste von den prächtigen römischen Residenzen im zweiten Jahrhundert v. Chr.

Das Forum als Mittelpunkt des römischen Lebens

Im Zentrum von Pol Lèntia stand natürlich wie in jeder römischen Stadt das „Forum“. Zum „Marktplatz“ gehört natürlich auch der „Kultplatz“. Da befinden sich hier der „Tempel Capitolium“ sowie die etwas spärlichen Reste zweier weiteren Tempelchen.

„Brot und Spiele“ auch auf Mallorca

Reste des Amphotheaters in Alcudia

Heute klettern Touristen über die Reste des antiken Forums.

Wer kann sich schone ein Römerstadt vorstellen ohne Theater. Nach einem knappen zehnminütigen Fußmarsch erreichen wir, das etwas außerhalb der römischen Stadt gelegene und 1953 ausgegrabene Theater.

Die klassische Struktur des römischen Amphitheaters ist auch hier klar zu erkennen.

  1. Das „cavea“ der in den Kalkfelsen halbkreisförmig eingehauene Zuschauerraum mit seinen Steinbänken.
  2. Das Orchester. Der ebenfalls halbkreisförmige Platz vor der Bühne auf der der Chor agierte.
  3. Die Bühne. Hier führten die Schauspieler ihre Tragödien und Komödien auf.

Nach einem beschaulichen Rückmarsch durch die Ruinenstadt und ein Gedanke wie viel Freud und Leid all diese Menschen vor uns wohl erlebt haben mögen und wie der Spruch „sic transit gloria mundi“, „so vergeht der Ruhm der Welt“, bewahrheitet, besuchen wir noch das kleine Römermuseum. Hier erwarten uns prächtige Marmorbüsten, kleine Götterstatuen und Gefäße des täglichen Gebrauchs, alles ausgegraben in der einst so stolzen römischen Hauptstadt Mallorcas.

Das römische Weltreich ist untergegangen, wie viele vor ihm und nach ihm, geblieben ist für die iberische Halbinsel und die Balearen das Vermächtnis der Sprache. Die Bewohner der Stadt Alcudiá haben von den Römern auch materiell profitiert, weil sie aus der verfallenen ehemaligen römischen Stadt Pol Lèntia die Steine abtransportieren und daraus eine wehrhafte Stadtmauer und stattliche Häuser bauten.

Blick auf das Amphitheaters in Alcudia

Die Steinstufen des Amphitheaters sind noch relativ gut erhalten.

 

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