Betrachten wir den Galatzò rein statistisch, dann macht der Berg mit seinen 1.026 Höhenmetern als sieben höchster Gipfel Mallorcas, nicht viel her. Aber wenn wir über die Bergkette der Tramuntana auf den Flughafen Son Jordi einschweben, ragt er mit seinem mächtigen Gipfel einzigartig aus dem Gebirgsmassiv hervor.
Geformt wie eine gigantische Pyramide, beflügelte die besondere Gestalt des Berges seit jeher die Phantasie der Menschen und so ranken sich zahlreiche Geschichten und Legenden um den Galatzò.
Woher der Name Galatzò kommt, darüber streiten sich die Gelehrten, In der „Onomasticion Cataloniae“, wird Galatzò als Eigenname der Ureinwohner ausgegeben. Andere Historiker führen den Namen auf die Römerzeit zurück, nämlich auf „aqua latior“ (Seitengewässer). Doch viel wichtiger, als das woher der Name jetzt stammt, ist die Bedeutung, die der „Puig Galatzò“ in der Geschichte und in den Legenden der Mallorkiner spielt. Im Volksmund galt er immer als „Heiliger Berg“, „Zauberberg“, „Verwunschener Berg“, oder sogar als „Verfluchter Berg“.
Inhaltsverzeichnis
Über Capdellà zur Finca Galatzò
Um vielleicht seine Geheimnisse etwas zu entschlüsseln und ein wenig seine Aura zu spüren, machen wir uns auf die Wanderschaft zum Zauberberg. Als Attribut an das 21. Jahrhundert beginnen wir unsere Tour bequem „en coche“, mit dem Auto, das uns zuerst in das malerische Örtchen Es Capdellà führt.
Nur ca. 15 Automin. von Palma entfernt, hat sich der im 17. Jh. gegründete Ort bis heute den Charme der vergangenen Zeiten erhalten können. Idyllisch auf 117 Höhenmetern zwischen dem „Piug de Galatzò“ und der Küste gelegen, bietet es eindrucksvolle Panoramablicke von „Berge und Meer“. Wir verlassen Es Capdellà und fahren weiter zur „Finca Galatzò“, dem Ausgangspunkt unserer weiteren Wanderung.
Wir verlassen das Auto, die Sonne steht strahlend am Himmel, so dass wir das alte mallorquinische Sprichwort
„lauf so schnell du kannst, dass du nicht im Wasser badest, wenn der Galatzò seinen Nebelmantel trägt und auf seinem Haupt eine Wolken-gorra sitzt“,
nicht auf seinen Wahrheitsgehalt prüfen können.
Die Finca Galatzò ist ein mächtiger Vierkanthof aus dem 12. Jahrhundert, der immer neu renoviert wurde und der heute von der Gemeinde Calvia als Biomusterhof verwaltet wird. Seine Wände sind mit Kalkmörtel verputzt, in die Kieselsteine als Ornamente eingelassen sind. Der Bau geht zurück bis in die Araberzeit, wovon noch heute die Reste einer arabischen Mühle Zeugnis ablegen. Das Mühlrad wurde vom Wasser, das in Kanälen vom Berg lief, getrieben und diente dazu, das Getreide zu mahlen. Ein riesiges Wasserbecken und ein Iglu-artiger Getreidespeicher aus Kalkstein, in dem die Bauern ihrem Grundherren den „Zehnten“ (=10% ihrer Erträge) abliefern mussten, erinnern noch heute an die arabische Feudalherrschaft auf Mallorca.
Steinkreise auf Mallorca
Beim Spaziergang durch das „Torrente Galatzò“ (Galatzò Tal), vorbei an Mandelbäumen und Wiesen, in denen Schafe und Ziegen grasen und ständig mit ihren Glocken bimmeln, können wir wie in einem Freilandkino fernste und jüngste Vergangenheit der größten Baleareninsel erleben.
Nach ca. 30 Minuten Fußmarsch in der Ebene stehen wir jetzt vor „Ses Sinies“, den Steinen. Dem unkundigen Auge präsentiert sich nur eine annähernd kreisförmige Ansammlung riesiger Steine. Die Mallorquiner früherer Zeiten glaubten auf Grund der enormen Größe der aufgestellten Steinblöcke (5 bis 10 Meter Höhe), dass dies Behausungen der „Gigantes“, der Riesen, die hier in grauer Vorzeit hausten, gewesen sein müssten.
Die Historiker unserer Zeit wissen, dass diese Anlagen aus der Geschichtsperiode der sog. Megalitkultur (griechisch „mega“= groß, „litos“ = Stein) stammen. Auf Mallorca werden diese Steinanlagen, die über die ganze Insel verstreut zu finden sind, auch „Talajots“ genannt. Nach Ansicht der Forscher dienten diese Talajots, die zwischen 1.400 – 1.000 v. Chr. gebaut wurden, sowohl als Befestigungs- und Siedlungsanlagen, als auch als Kultstätten.
Nur einen Steinwurf von diesem historischen Ort entfernt, finden wir einen weiteren legendären, mythischen Platz, der auch hier durch Steine manifestiert wird. In Reih und Glied in einem Abstand von ca. 5 Fuß stehen 4 kreisrunde Steine mit einem Loch in der Mitte.
Die Sage vom bösen Grafen
Hier, so erzählen die Mallorquiner mit Schaudern noch heute, hat der „Comte Mal“, der böse Graf, einst seine leibeigenen Bauern zur Strafe angekettet, gemartert und dann verhungern lassen. Wer war dieser „Comte Mal“, mit dem die Eltern noch heute ihre Kinder schrecken, wenn sie nicht schlafen wollen: „Gib Ruh, sonst kommt der böse Graf“? Im 17. Jahrhundert gab es einen „Comte Ramon Zaforteza“, geb. 1627, gest. 1694. Damals durchlitt die heute so beliebte Ferieninsel schreckliche Zeiten. Die Feudalherren führten blutige Fehden, die abhängigen Soldbauern wurden bis auf das Blut ausgepresst und die Landlosen fristeten ein armseliges und gefährliches Leben als Straßenräuber.
So ein Leuteschinder war auch unser Comte Ramon Zaforteza, der aufsässiger Bürger und Bauern hinrichten ließ. Sein bekanntestes, historisch dokumentiertes Justizopfer war der Bürgermeister von Santa Margalida im Norden der Insel, der für die Rechte seines Dorfes kämpfte.
Während der reale Comte Ramon Zaforteza die Insel verließ, um an den Hof in Madrid zu wechseln, fabelte der Volksmund, der „verwunschene Graf“ sei vom Teufel in die Hölle geholt worden. Durch Erzählungen, Bänkelgesänge und schaurige Anekdoten wurde der „Böse“, der „Verfluchte“, der „Verschwundene“, der „Gespenstische Graf“, eine Spukgestalt, die nachts, vor allem aber in den Rauhnächten der Wintermonate, auf einem grünen, nach Schwefel stinkenden Pferd, um den Galatzò reitet.
Auf unserem weiteren Marsch begegnen wir nun steinernen Zeugen des Fleißes, der Mühen und der Plagen der Insulaner in jüngst vergangener Zeit. Bis noch vor 80 Jahren wurde in den kreisrunden Kalköfen, die bis zu 12 Meter hoch sind, mit Holzkohle bei einer Temperatur von rund 800 Grad, Kalk gebrannt. Die Arbeiter wohnten in mit Schilf gedeckten Steinhütten in unmittelbarer Nähe.
Steiniger Aufstieg zum Gipfel
Wir verlassen nun den Talgrund des „Torrente Galatzò“ und folgen einem steilen Felspfad, der zwischen Macchiesträuchern, Stechpalmen, Zwergkiefern und Dornbüschen nach oben führt. Hin und wieder taucht ein brauner Fleck zwischen Kalksteinen und Stachelgras auf, von dem man nicht genau weiß, ob es eine Hausziege oder eine Wildgams ist, auf.
Dann teilt sich der Weg, der linke Steig führt zum klobigen Nachbargipfel Esclop und der andere zum spitzen Galatzò. Nach mühseligem Aufstieg, der nur Geübten zu empfehlen ist, wird der Wanderer mit einem herrlichen Inselrundblick belohnt. Den „Comte Mal“ wird der Bergsteiger hier oben nicht vermissen, aber eine gemütliche Berghütte schon.
happy paddays evening, lilly.
Ein schöner Artikel mit wundervollen Fotos, der Lust macht, die Wanderung selber zu machen. Umso besser, dass man beim Lesen nebenbei auch noch so manches Interessante über Geschichte, Land und Leute erfährt.
Vielen dank!
Hola Frau Gawlik,
vielen Dank für die lobenden Worte. Dies liest man gerne und wird den Autor sicherlich freuen.
Mit sonnigen Grüßen aus Santa Ponsa